Industriegeflüster: Digital statt real?

Was kommt, was bleibt, was geht: Worauf Industrieunternehmen beim Kundenkontakt nun setzen und welche Bedeutung Messen in Zukunft haben.

© Fraunhofer Austria / Christian Mikes

Wilfried Sihn, Geschäftsleitung Fraunhofer Austria Research GmbH

Die Corona-Krise hat die Industrie schwer getroffen, und stellt uns alle vor große Herausforderungen. Zugleich bietet sie aber die Chance, Veränderungen in Angriff zu nehmen, die schon überfällig waren. Viele erkennen gerade, wie effizient es sich durch die Digitalisierung aus dem Home Office arbeiten lässt. Die digitale Transformation wird dazu beitragen, industrielle Prozesse ressourcen- und energieeffizienter zu gestalten, und die Automatisierung kann bei der „Glokalisierung“ helfen. Das bedeutet: auch in unserer globalisierten Welt können manche Produktionsschritte nach Europa zurückgeholt werden, um Abhängigkeiten in den Versorgungsstrukturen zu vermeiden. In herausfordernden Zeiten haben innovative Lösungen jedenfalls Hochsaison.

Marcus Schellerer, Geschäftsleitung Rittal GmbH

Die Mischung macht es, als Wiener spricht man dann von der „Melange“.
Virtuelle Messen haben schon heute ihre Berechtigung. Da wird sich in naher Zukunft auch noch viel ändern. Man wird Themen in den virtuellen Raum stellen können und jemand der dazu etwas sagen kann, wird sich melden. So komme ich zu meinen Informationen. Jegliche Kommunikation vor Bildschirmen erfordert mehr Konzentration und es werden nur zwei Sinnesorgane angesprochen.Wir Menschen sind auch Haptiker. Das kann nur auf einer realen Messe befriedigt werden. Wir Menschen genießen ein reales soziales Umfeld und vor allem Anerkennung. Auch dazu braucht es Livemessen.

© Rittal GmbH

© Wilke

Wolfgang Weidinger, Managing Director Weidmüller Österreich

Die Smart Automation Austria gilt als Schaufenster der Industrie, wo wir auch dieses Jahr unsere Neuheiten präsentiert hätten. Nun ist die Messe abgesagt worden, aus gutem Grund. Wir bedauern das, tragen es aber auch vollumfänglich mit, Gesundheit geht vor. Um dennoch einen Eindruck über alle Neuigkeiten zu vermitteln, haben wir für unsere Kunden eine digitale Messeplattform geschaffen. Unsere Experten diskutieren über IIoT, Elektromobilität, digitalisierten Schaltschrankbau aber auch über klassische Felder der elektrischen Verbindungstechnik. Dennoch sehen wir bereits jetzt der Smart Automation 2021 entgegen, wenn wir unsere Kunden wieder persönlich und live begrüßen dürfen. 

Wolfgang Schwarz, Geschäftsleitung Spörk Antriebssysteme GmbH

Die Coronakrise hat erhebliche Auswirkungen auf unsere Wirtschaft. Das tatsächliche Ausmaß ist im Moment noch schwierig einzuschätzen und wird sich vermutlich erst in einigen Wochen bis Monaten zeigen. Für unsere Firma SPÖRK war das Home-Office eine neue Erfahrung. Durch unser technisches Know-how konnten wir schnell auf die benötigte Digitalisierung zurückgreifen. Der Kontakt zum Kunden ist für uns maßgeblich und wurde durch Telefonate und Videokonferenzen gehalten. Für die Zukunft könnten wir uns vorstellen, des Öfteren Videokonferenzen abzuhalten. Nichtsdestotrotz ist für uns der persönliche Kontakt zu unseren Kunden essentiell und diesen Service möchten wir auch weiterhin anbieten! 

© Spörk

© Phoenix Contact / Martina Draper

Thomas Lutzky, Geschäftsleitung Phoenix Contact GmbH

Mit dem Corona-Ausbruch hat Phoenix Contact alles in die Wege geleitet, um den Geschäftsbetrieb vollumfänglich fortzuführen. Unser Produktionsnetzwerk ist global aufgestellt, wir stellen Produkte an mehreren Standorten parallel her. Das hilft unsere Lieferketten aufrecht zu halten. Als Ersatz für abgesagte Messen haben wir mit den Dialog Days ein digitales Format gestaltet, das Interessenten die Möglichkeit bot Vorträge zu unseren Produktinnovationen zu erleben sowie unseren virtuellen Messestand zu besuchen und dort mit unseren Experten via live Chat in Kontakt zu treten. Trotz des Erfolgs der Dialog Days freue ich mich auf realen Messen wieder den persönlichen Austausch pflegen zu können.

Werner Peraus, Vertriebsleiter Fronius Österreich / Perfect Welding

Als österreichisches Unternehmen entwickelt und produziert Fronius im Inland.  In der aktuell sehr herausfordernden Zeit haben wir uns das Ziel gesetzt, den Bestell- und Lieferprozess für unsere Kunden zu vereinfachen bzw. die Inbetriebnahme, unter Berücksichtigung der nationalen Krisen-Verordnungen, ohne physischen Kontakt zu organisieren. Drei schweißbereite Systeme haben wir zusammengestellt, welche per Paketdienst versendet und ganz einfach in Betrieb genommen werden können! Fronius übernimmt die Kosten für die DHL Express-Zustellung. Die Handschweißsysteme sind fix montiert und werden im praktischen und soliden Koffer binnen einer Woche geliefert. Eine Inbetriebnahme durch einen Techniker ist nicht notwendig, denn ein Video veranschaulicht, wie einfach diese ist. Also auspacken und loslegen!

© Fronius

© Gerald Tschank

Helmut Schwarzl, Spartenobmann Industrie/ Wirtschaftskammer Niederösterreich

Wir arbeiten an maßgeschneiderten Lösungen. Erfolgreich unternehmen heißt, klare Ziele mit klaren Strategien zu verfolgen. Covid-19 zwingt viele Betriebe im Moment aber dazu, herkömmliche Wege zu verlassen und neue zu beschreiten. Doch dabei lassen wir sie nicht allein. Die Wirtschaftskammer unterstützt mit Beratung und unbürokratischer Hilfe, sei es bei der Kurzarbeit, oder der Liquiditätssicherung. Jede Branche ist individuell zu betrachten, daher wird es neben den großen Programmen auch vielfältige Brancheninitiativen brauchen. Im Industriesektor heißt das vor allem auch Unterstützung in Sachen Export, denn ein ungestörter, grenzüberschreitender Warenverkehr ist die Basis für die Produktion. Unsere Industriebetriebe sind kreativ, innovativ, motiviert und gut aufgestellt – gemeinsam werden wir auch diese Krise meistern!